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Leben in der Nordsee

In der graugrünen Nordsee verbirgt sich Leben in ungeahnter Schönheit und Fülle. Fische, Krebse, Muscheln und Schnecken sind für den Beobachter oft kaum sichtbar. Mit etwas Glück findet man zwar im Flachwasser der Küsten angeschwemmte Tiere, doch weitaus schöner bietet das Meerwasseraquarium der Meeresbiologischen Anstalt auf Helgoland Besuchern die Chance, Tiere in ihrem natürlichen Lebensraum zu beobachten - so weit das denn möglich ist in Gefangenschaft.
Da der Bestand der Aquarien von den Fängen der Forschungsschiffe abhängt, sind die hier gezeigten Tiere lediglich eine Auswahl aus der mannigfaltigen Formenwelt der Nordseebewohner.

Einer der aufregendsten "Fische" in der Nordsee ist sicher der Kleinfleckige Katzenhai (Scyliorhinus canicula). Trotz seines Namens ist der maximal einen Meter lange Hai kein bißchen gefährlich. Er ernährt sich von kleinen Fischen, Krebsen und Weichtieren. Im Wattenmeer bekommt man ihn nicht zu sehen, da er tiefere Regionen bevorzugt. Hin und wieder werden mit den Sturmfluten leere Eihülsen angespült.

Was hier im Wasser hängt ist ein Gelege des Katzenhais, Eikapseln, die mit spiraligen Fäden untereinander Verbunden sind. Man findet sie hin und wieder im Spülsaum am Strand als leere Hüllen, wenn die Jungfische ausgeschlüpft sind.

Diese "Blumen" sind Tiere, sie heißen Seenelken (Metridium senile) und gehören zu den Hohltieren. Sie filtern Plankton und andere Kleintiere mit den über 400 feinen Tentakeln, die die Mundscheibe umgeben, aus dem Wasser. Seenelken werden bis zu 25cm hoch. Wenn sich die Lebensbedingungen verschlechtern, können sie mit ihrer Fußscheibe fortkriechen oder sie lassen sich mit der Strömung forttreiben.


Das ist ein Seehase (Cyclopterus lumpus). Der hier ist gerade handteller groß, kann aber bis zu 50 cm Grösse erreichen. Die Bauchflossen sind umgewandelt zu einem Saugnapf. Im Frühjahr kommen die Seehasen ins seichte Wasser und paaren sich, das Weibchen legt riesige Eierklumpen mit bis zu 200000 Eiern, die die Männchen dann verteidigen. Da sie während dieser Zeit nichts fressen, sterben sie häufig hinterher und werden an den Strand gespült. Der schwarze Rogen des Seehasen wird als "Deutscher Kaviar" verkauft.

Zum Stamm der Stachelhäuter (Echinodermata) gehören neben den Seeigeln auch die Seesterne. Dieser bis an die Wasseroberfläche gekletterte Gemeine Seestern (Asterias rubens) hat immer fünf Beine und kann bis zu 30cm Durchmesser erreichen. Wenn ein Arm abgefressen werden sollte, wächst ein neuer nach. Der Seestern ist sehr gefrässig und greift vorwiegend Muscheln an: mit seinen Armen umschlingt er sie, verdeckt ihre Atemöffnungen so, dass sie keine Luft mehr holen können und bricht mit den Armen die Muschelschalen auseinander.
Das kann mehrere Stunden dauern. Letztendlich stülpt er dann seinen Magen in die Muschel und verdaut ausserhalb seines Körpers (extraintestinal) die Muschel. Auf diese Weise kann er auch auf Felsen und Sand wachsende Algen "abweiden".
Auf dieser Detailaufnahme eines Seesterns kann man die Ambulacralfüßchen sehen, mit denen sich der Seestern fortbewegt. Die Füßchen bewegen sich koordiniert in die gleiche Richtung, saugen sich an der Oberfläche an und verkürzen sich dann. Dadurch "rückt" der Seestern in diese Richtung. Das sieht sehr geschickt aus, ist aber (für menschliches Empfinden) eher langsam. Am Rand des Beines sind gelblich Sinnespalpillen zu erkennen, mit denen sich der Seestern in der Umgebung orientiert.

Der Sonnenstern (Solaster papposus) kann Größen bis zu 20cm Durchmesser erreichen, hat zwischen 8 und 14 Arme und lebt räuberisch. Er gehört zu den streng geschützten Arten nach der Bundesartenschutzverordnung.

Der hier liegt leider auf dem Rücken und macht keinen sehr lebendigen Eindruck mehr.


Auch die Seerosen gehören, wie die Seenelken (s.o.) zu den Hohltieren. Das hier ist eine Witwenrose (Sagartiogeton undatus), die an den bis 200 schlanken langen Tentakeln zu erkennen ist. Die Mundscheibe in der Mitte hat eine charakteristische Zeichnung. Der Name stammt daher, dass die Tentakeln schmale schwarze Längsstreifen haben, die auf dem Bild leider nicht zu sehen sind. Witwenrosen werden bis zu 12cm hoch und leben in sandgefüllten Ritzen von felsigen Meersböden oder Gezeitentümpeln (Bei Ebbe bleibt in diesen Tümpeln Meerwasser stehen). Die Tiere graben sich bis zur Tentakelkrone im Sand ein.

Hier sitzt eine Dickhörnige Seerose (Urticia felina). Sie kann bis 15 cm Höhe erreichen, siedelt auf Felsen und fängt mit bis zu 160 Tentakeln Würmer, Mollusken, Flohkrebse und kleine Fische. Wenn die Dickhörnige Seerose trocken fällt, zieht sie sich komplett in den Fuß zurück und ist dann nur schwer auszumachen. Im Innenraum werden die Eier befruchtet und können dort so lange bleiben, bis sich Jungtiere entwickelt haben, die dann ins Meer entlassen werden.
Vorne rechts guckt ein Taschenkrebs zwischen den Steinen hervor.

Auch das hier sind Tiere, jeweils eine ganze Kolonie von Polypen, jede 6-8mm groß: Sie heisst ToteMannsHand oder Lederkoralle (Alcyonium digitatum), wegen der Handform und weil sie, wenn man sie mit dem Netz aus der Tiefe holt, leicht rosa schimmert, so bleich, wie ein Stück einer Wasserleiche aussehen könnte.

Das sind zwei Butterfische (Pholis gunnelus). Sie werden bis 40 cm lang und bewohnen sand- und algenreiche Felsböden. Sie laichen im Winter und bewachen ihre Gelege bis zum Schlüpfen der Jungen.
Auf einem kleinen Sandriff liegen sie zusammen: Seestern, Katzenhai, Seerose und ToteMannsHand (unten links, etwas unscharf). Die Seerose hat sich gerade in ihren Fuß zurückgezogen - eine reflexartige Reaktion, die bei Gefahr dem Verlust von Tentakeln vorbeugt. Hier stieß kurz vor der Aufnahme der Katzenhai dagegen.
Auch Aale (Anguilla anguilla) kommen in der Nordsee vor - auf ihrem Rückweg von der Sargassosee. Erwachsene Aale wandern im Herbst in die vor den Bahamas liegende Sargassosee, um dort zu laichen. Dann sterben sie. Die kleinen Aale, die wegen ihres Aussehens Glasaale genannt werden, wandern nun während drei Jahren mit dem Golfstrom zurück nach Europa und die Flüsse hinauf. Dabei passen sie sich an das Süßwasser an. Hier existieren sie mit zwei Ernährungsformen: als "Breitkopf" (Raubfisch) und als "Spitzkopf" (Friedfisch). Wenn der Bauch von der gelben Farbe nach weiß wechselt ("Silberaal"), dann ist der Aal geschlechtsreif und wandert zurück ins Meer. Aale können auch längere Strecken über nasse Wiesen wandern (auf den Inseln muss es immer wieder Wandernächte geben, in denen Aale über den Deich in Teiche in der Marsch wandern. Anders wäre das Vorkommen von Aalen dort nicht zu erklären).
Die Schmalschnäuzige Seenadel (Syngnathus typhle) kommt nur sehr selten in der Nordsee vor. Die ungewöhnliche Fischfamilie der Seenadeln ist eher in der Ostsee zuhause, wird bis zu 30 cm lang und kann auch bräunlich gefärbt sein. Die Körperhaltung (senkrecht im Wasser) ist charakteristisch. Nach der Balz übernehmen die Männchen die Brutpflege und tragen die Eier an der Bauchunterseite.
Seenadeln leben in Seegraswäldern, deren Verbreitung stark zurückgeht.
An den rötlichen Punkten gut erkennbar ist die Scholle (Pleuronectes platessa). Ausserdem schmeckt sie hervorragend. Das lustige an Plattfischen ist ihre Form, sie liegen nämlich auf der Seite, das zweite Auge ist auf die oben liegende Seite gewandert. Als Larven sehen sie noch aus wie "normale" Fische, erst später verändert sich ihr Körper. Die Jungfische leben im Wattenmeer. Sie fressen Weichtiere, Krebse und Würmer. Im Frühling laichen Plattfische bis zu 500000 Eier ab. Plattfische schwimmen mit wellenförmigen Bewegungen des ganzen Körpers und den Flossensäumen am Rand.

Die Flunder (Platichthys flesus) hat keine roten Punkte, sieht aber ansonsten der Scholle sehr ähnlich. Es gibt Bastarde zwischen Scholle und Flunder, die heißen "Blendlinge". Die Oberseite ist wie bei der Scholle eher Dunkel, aber ins olivgrüne gehend, die Unterseite ist bei allen Plattfischen weiß. Wenn ein Plattfisch schwimmt ist er so von Räubern, die von unten gucken, gegen das "helle" Licht von oben schlecht zu erkennen.
Als Gast im Wattenmeer gräbt sich die Scholle häufig im Schlick ein. Scholle und Flunder können in gewissen Grenzen ihre Musterung auf der Oberseite den Farben des Meeresgrundes anpassen und sich so tarnen.

Der Steinbutt (Scophthalmus maxima) ist mit der grösste der Plattfische in der Nordsee ( - wenn er nicht vorher gefangen wird. Und nur der Heilbutt kann mit über 2m noch ein bischen größer werden.) Er ist ein sehr leckerer Speisefisch, erreicht bis zu 1m (selten bis 2m) Größe und liebt sandige Untergründe, dessen Farbe er sich anpassen kann.

Die Nordseegarnele (Crangon crangon), meist "Krabbe" genannt, schmeckt nicht nur gekocht und gepuhlt auf Krabbenbrötchen, sondern sieht lebendig auch noch hübsch aus. Bis zu 8cm kann eine Krabbe groß werden. Normalerweise sind sie durchsichtig, können sich aber mit Pigmentzellen im Panzer hervorragend an die Farbe des Untergrundes anpassen. erst nach dem Kochen wird die Krabbe so rot, wie wir sie auf dem Krabbenbrötchen kennen.Krabben leben auf weichen Böden im Wattenmeer und, wenn sie älter werden bzw. im Winter, auch in der tieferen Nordsee. Nordseegarnelen sind nachtaktiv.
Durch die immer ausgedehntere Befischung (inzwischen ganzjährig) geht der Bestand stark zurück (zumindest lassen das die zurückgehenden Fangmengen der Fischer vermuten).
"Krabben" werden im Wattenmeer mit Kuttern mit Schleppnetzen gefangen, an Bord sortiert und gekocht und dann industriell oder als Nahrungsmittel verkauft. Leider gibt es bei der Krabbenfischerei extrem viel Beifang - bis zu 70%. Ausserdem wühlen die verwendeten Baumkurren den Meersboden stark auf. Bekannt ist der seit vielen Jahren praktizierte Unsinn, die Krabben zum puhlen mit LKWs nach Marokko zu fahren - und natürlich anschließend wieder zurück, da die Urlauber das Krabbenbrötchen natürlich am liebsten am Hafen essen.

Das sind Taschenkrebse (Cancer pagurus). Die Oberseite ist meist zeigelrot gefärbt, die Unterseite hellocker, die Scherenspitzen charakteristisch schwarz. Ein Taschenkrebs ernährt sich räuberisch von anderen Krebsen, Muscheln, Seesternen und Fischen und kann bis zu 30 cm Grösse erreichen. Bei der Begattung übertragene Samenzellen werden vom Weibchen gespeichert und reichen für einige Laichperioden, während der mehrere millionen Eier abgelegt werden. Früher verkauften Kinder abgekochte Taschenkrebse, die ihre Väter als Beifang in den Hummerkörben hatten, auf der großen Treppe von Helgoland, die Unter- und Oberland verbindet.

Das hier ist die kleine Seespinne (Hyas araneus), sie gehört auch zu den Krebsen, wird gut 10 cm groß und lebt in der gesamten Nordsee, dem Atlantik und der Ostsee. Manchmal kann man sie in Gezeitentümpeln beobachten, wenn sie den Weg ins tiefere Wasser nicht so schnell geschafft hat.
Die Tiere können sich tarnen, in dem sie kleine Stückchen von Algen oder Schwämmen auf Stacheln des Rückenpanzers aufspießen; sie sind dann kaum zu erkennen. Ältere Seespinnen sind häufig durch aufwachsende Organismen getarnt.

Dieser Fisch ist wirklich riesig: es ist der Stör (Acipenser sturio). Mit einer Gesamtlänge bis 4 Meter kann er einem richtig Angst machen. An der Seite hat er zwischen 24 und 40 Knochenplatten - und ist ein sehr urtümlicher Fisch (evolutionsbiologisch sehr alt), das Skelett ist nur teilweise verknöchert. Er kam früher so häufig in der Nordsee und den unteren Flussläufen von Elbe und Weser vor, dass sich die Dienstboten in Hamburg ein Privileg ausbaten, nicht öfter als 2 mal die Woche Stör essen zu müssen. In Deutschland gilt er allerdings als ausgestorben. Heute ist er also sehr selten, und so groß wird er schon gar nicht mehr. Im Hintergrund (oberes Bild) schwimmt ein Dorsch. Trotz des fürchterlichen Mauls hat ein Stör keine Zähne, er gehört zu den Grundfischen und durchwühlt den Boden nach Würmern, Larven und Fischen. Das Süßwasser suchen die meisten Störarten nur zum Ablaichen auf, sonst leben sie im Salz- und Brackwasser.

Der Seeskorpion (Moxocephalus scorpius) wird nur 30 - 40 cm groß und ist ein gefräßiger Raubfisch. (Dafür schmeckt er auch ziemlich gut). Das Männchen färbt sich zur Laichzeit kupferrot mit hellen Flecken.

Dieses Monstrum ist ein Katfisch (Anarhichas lupus). Er heißt auch Steinbeißer oder Seewolf. Er erreicht 1,2m Grösse und sieht vor allem urtümlich und finster wegen seines kräftigen Gebisses aus, mit dem er hartschalige Bodentiere aufknackt (Muscheln, Stachelhäuter, Krebse). Kennzeichnend ist neben der Körperform auch die schwarze Querbänderung. Er lebt in Tiefen zwischen 40 und 200m.

Der Hummer (Homarus vulgaris) ist fast eine Art "Wappentier" der Helgoländer, fingen sie doch Jahrzehnte lang zehntausende dieser bis zu 60 cm grossen Tiere und verkauften sie als Delikatesse. Das Bild zeigt eine Schautafel mit Hummern unterschiedlichen Alters. Der Grösste ist nahezu 50 Jahre alt und hat die maximale Größe erreicht. Seit den 50er Jahren ist der Hummerbestand um Helgoland zusammengebrochen, es werden pro Saison nur noch einige Hundert gefangen.
Die Ursachen sind nicht genau bekannt, diskutiert werden neben Überfischung der Nordsee und Ruhestörung durch die lauten Schiffsmotoren auch chemische Einwirkungen: so sollen schon wenige Tropfen Schweröl in der Nähe der Hummer deren chemotaktische Fähigkeiten lahm legen, die insbesondere zur Paarung benötigt werden. Sicher scheint zu sein, dass die Helgoländer Fischer nichts für das Ausbleiben der Hummer können.
Wie bei vielen anderen Meerbewohnern auch bestimmt die Wassertemperatur recht genau die Paarungs- und Laichzeit der Hummer. Die Erwärmung der Nordsee in den letzten 30 Jahren um 1,4 Grad (vgl. Langzeitstudie der Planktonzusammensetzung der Helgoland Reede, jetzt durch das Hamburger Forschungsinstitut Senckenberg) kann also auch ein Faktor sein, der den Rückgang der Hummer verursacht, denn zu früh schlüpfende Hummerlarven finden in der Nordsee noch kaum Nahrung vor. Seit einigen Jahren werden von Helgoländer Hummerfischern gefangene tragende Hummerweibchen im Ökolabor der Biologischen Anstalt Helgoland abgegeben und dort der Nchwuchs aufgezogen, so dass jedes Jahr ca. 1000 kleine Hummer ausgesetzt werden können, um den Bestand zu stabilisieren.

Der europäische Hummer ist eigentlich tiefblau gefärbt - erst beim Kochen bekommt er seine rote Farbe, wie auf dem oberen Bild zu sehen ist.

Eine kleine Fischtafel der Nordsee gibts auf dieser Seite.

Literatur: Jahnke,K. und Kremer, B., Düne, Strand und Wattenmeer, Kosmos Verlag Stuttgart 1999
Brohmer, Fauna von Deutschland, Quelle & Meyer Heidelberg 1994

Der Jahnke ist sehr empfehlenswert für Strandwanderer und Naturinteressierte, er enthält viele nützliche Details und ist nach Biotopen eingeteilt, dabei jedoch übersichtlich. Zur Bestimmung dienen die erstklassigen Fotos.
Der Brohmer empfiehlt sich eher für waschechte Zoologen, die immer schon mal eine Kuh mit einem Bestimmungschlüssel bestimmen wollten.